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Meinungen des Buchhandels zum Buchpreis (1): Hauke Harder aus Kiel

In meiner kleinen Interviewreihe möchte ich wissen, was Buchhändler von den Noinierungen auf der Longlist in diesem Jahr und vom Buchpreis ganz allgemein halten. Als erster der Buchhändler steht Hauke Harder von der Buchhandlung Almut Schmidt in Kiel Rede und Antwort.

 

Die Longlist des Deutschen Buchpreises 2014 ist seit ein paar Tagen bekannt. Sind Sie überrascht von Titeln auf der Liste, vermissen Sie den ein oder anderen Titel oder sind Sie insgesamt zufrieden?Buha_AS_HH
Insgesamt zufrieden, denn die Liste ist eine gute und bunte Mischung.
Dennoch fehlen mir persönlich einige meiner Favoriten. Aber es werden wohl immer individuelle Buchtitel nicht nominiert, die einen persönlich begeistert haben.
Als kleine Kritik würde ich sagen, daß die Liste den Lesegeschmack vieler Buchliebhaber nicht immer spiegelt. Ich denke, daß die Liste am Leser, der nicht beruflich mit dem Medium Buch zu tun hat, leicht vorbei gehen könnte. Die Auswahl ist eine künstlerische und anspruchsvolle Auswahl, die aber eventuell dadurch die sogenannte „Hemmschwelle“ eines Buchliebhabers zum stationären Buchhandel aufbauen könnte… Wir, die beruflich mit dem Medium „Buch“ arbeiten, sind alle Geschichtenerzähler und deren Verkäufer. Dies geht meist Hand in Hand mit Emotionen. Mir ist die Liste aus diesem Grund etwas zu „kopflastig“.

Andreas Platthaus hat in der FAZ zur Longlist gesagt, die Juroren hätten vor allem auf das „Bewährte“ gesetzt, so sei ungewöhnlichen und wagemutigen Projekten kein Platz auf der Longlist eingeräumt worden und es sei auch nur wenig Bereitschaft zu sehen, auch mal den Roman eines unbekannteneren, kleineren Verlags zu nominieren. Hat Platthaus mit seiner Einschätzung nicht recht?
Ist es denn so „Bewährtes“? Die Frage muß ich eigentlich unbeantwortet lassen, denn bis auf wenige Titel habe ich die Bücher auf der Liste noch nicht durchgelesen. Ich arbeite aber daran 😉 Ich denke die Juroren sollten unabhängig von dem Bekanntheitsgrad und der Größe eines Verlages ihre Auswahl treffen. Hier geht es ja nun wirklich um Inhalte. Schön und wünschenswert wäre es, daß auch unbekannte Verlage und Ihre Autoren eine Chance bekämen. Wie bereits gesagt, lese ich auch viele Novitäten, die es nun nicht auf dieser Liste geschafft haben, denen ich es persönlich aber sehr gegönnt hätte.

Der Deutsche Buchpreis tritt, seinen Leitsätzen zufolge, mit dem Ziel an, „den besten Roman“ des Jahres auszeichnen zu wollen. Über einzelne Titel kann man ja lange streiten. Gibt es für Sie bestimmte Kriterien, die den „guten“ Roman, um nicht zu sagen: den „besten“ Roman, ausmachen?
Individuell ganz einfach beantwortet, er muß mir gefallen 
Er sollte mich emotional packen und eine gute Geschichte beinhalten, die mir eine ganze neue Welt öffnet. Ein Buch kann ein Leben verändern. Wir wissen aus der Physik und den spirituellen Lehren, daß unsere äußere Welt der Inneren gleicht. So kann eine neue Sicht mein Umfeld verändern. Ich kann nicht die Welt verändern, ich kann nur mich ändern.
Meistens reicht ein kleiner Anstoß. Diese Anregung kann ich durch einen schönen, klugen Satz finden oder durch ein ganzes Buch, denn jeder Text birgt in sich die Möglichkeit, meine Sicht auf die Dinge zu erneuern.
Die Sprache ist mir wichtig, aber wenn es Titel sind, die mit einer wunderbaren Sprache geschrieben, aber wenig Inhalt haben, bin ich auch gelangweilt. Es muß stimmig sein.

Der Deutsche Buchpreis wird ausgelobt vom Börsenverein des Buchhandels. Steht da nicht, den Kriterien des „guten Romans“ zum Trotz, viel mehr der Verkauf der Bücher im Vordergrund des Interesses? Die Marketingmaschine, die nun angeworfen wird, spricht doch dafür.
Warum? Wir, der vertreibende und herstellende Buchhandel lebt nun mal vom Verkauf seiner Bücher und daran misst sich schließlich auch der Erfolg eines Titels. Daher ist es doch gut, wenn auch wirtschaftlich gehandelt wird. Es ist doch leicht schräg, wenn jemand den Erfolg nicht möchte. Ich denke kein Autor schreibt, um ewig als Geheimtipp gehandelt zu werden. Man ist doch stolz auf sein Werk und wünscht sich viele Leser, also Käufer.

Wie ist denn Ihre Erfahrung in diesen ersten Tagen dieses Jahres, wie aus den letzten Jahren: Bringt der Buchpreis mit seiner medialen Aufmerksamkeit mehr Kunden in den Buchhandel, werden mehr Bücher verkauft, insbesondere die Titel der Long- und Shortlist, des Gewinners, die auch in jedem Laden an prominenter Stelle ausgestellt werden?
Die große Aufmerksamkeit bekommt leider meist nur der Gewinner-Titel. Aber dennoch ist für Gesprächsstoff gesorgt und die Kunden zeigen immer mehr Interesse.
Aber wir arbeiten in einer Buchhandlung, in der wir eine enge Kundenbindung haben, dadurch sind unsere Favoriten und Lesetipps mehr gefragt. Aber die Berichtserstattung in der Presse und allen weiteren Medien rund um die Buchmesse und den Buchpreis ist toll und rückt das Kulturgut „Buch“ in den Vordergrund und schafft ein Bewusstsein für die Freude am Lesen.

Der Schriftsteller Michael Lentz hat vor ein paar Jahren gefordert, den Preis sofort abzuschaffen. Er würde die nominierten zwanzig Titel so stark in den Vordergrund stellen, sodass alle nicht nominierten Romane nicht mehr wahrgenommen werden. Mit unserem Blogprojekt tragen wir ja zu genau dieser Sichtweise auch bei. Sehen Sie das auch so kritisch?
Dem stimme ich als Buchhändler nicht zu. Denn wir erleben etwas anderes im Handel. Dies mag bei Menschen und Lesern zu treffen, die sich selbständig im Internet mit der Literatur versorgen und informieren. Uns Buchhändler zeichnet die Beratung aus. Wir sind kein generierter Code, der Verkaufsvorschläge macht. Unsere Kunden möchten unsere Meinung zu den Titeln wissen. Wenn ich ein Buch nicht mochte, sei es ein Preisträger oder nicht und ich persönlich gefragt werde, sage ich meine persönliche Meinung, denn diese möchten unsere Kunden hören. Ebenso verkaufe ich mit viel Freude Bücher, die gänzlich unbekannt sind, mich aber begeistert haben.
Haben Sie einen persönlichen Favoriten auf der Liste?
Ich kann mich ad hoc nicht festlegen… Ich tippe aber auf: „Kruso“ von Lutz Seiler. Ein literarisches Werk. Klug und unglaublich toll geschrieben. Man verweilt und liest einige Sätze mehrfach. Langsam versinkt man im Text und strandet in einer neuen, alten Welt….
Aber auch Michael Köhlmeier mit „Zwei Herren am Strand“ würde ich als einen meiner Favoriten aus der Liste benennen.

10 Kommentare

  1. iweinkestner sagt

    Toll, dass es noch so ehrliche Buchhändler gibt! Ich arbeite zwar nicht im Buchhandel, jobbe aber in einem Coffee House und wenn es da Aktionen und neue Getränke gibt, dann müssen wir auf Nachfrage der Kunden nicht unser Lieblingsgetränk nennen, sondern das Aktionsgetränk.
    Dass es noch wirtschaftliche Unternehmen gibt, die die eigene Meinung in den Vordergrund stellen, finde ich toll! Mehr davon!

  2. Gute Fragen, sehr schöne, ermutigende Antworten. Merci für diesen Einblick! Ich bin gespannt auf die weiteren Buchhändlermeinungen.

  3. Eine schöne Idee und ein sehr interessantes Interview!

    Herr Harder hat mit der Antwort auf die dritte Frage wunderbar auf den Punkt gebracht, was ein gutes Buch ausmacht. Auch wenn die Entscheidung, ob ein Buch gut oder schlecht ist, wohl letztlich immer subjektiv ist (was allerdings wunderbar ist, da ansonsten jedes Bücherregal gleich bestückt wäre 🙂 ).

    Ich bin gespannt auf die weiteren Buchhändlermeinungen.

  4. Danke für dieses tolle Interview, das wunderbare Einblicke in den Buchhändlerkopf gibt. Ich bin auch schon gespannt, auf weitere Meinungen. 🙂

  5. Vielen Dank für die netten und aufbauenden Kommentare. Herzliche Grüße aus Kiel, Hauke Harder

  6. Liebe Claudia,

    diese Reihe ist eine prima Idee – und dieses Interview hat mir sehr gefallen. Vor allem die Antwort auf die Frage nach dem ‚besten Buch‘ und was es ausmacht. Da kann ich mich gut wiederfinden.
    Ausserdem ist mir natürlich die Erwähnung des neuen Köhlmeier-Titels sehr sympathisch…
    Liebe Grüsse
    Kai

  7. Claus Harder sagt

    Hallo Hauke,
    ein schönes, inhaltliches Interview.
    Hast Du gut gemacht !

    Claus Harder
    (nicht der Bruder)

  8. Hallo, liebe Claudia, du warst schon wieder so fleißig um das Longlist-Projekt herum! Ich hinke etwas hinterher, aber ich hinke und eile mit Freuden. 🙂 Schönes Interview – danke! Und schöne Antworten, besonders auf die Frage nach dem „guten“, dem „besten“ Roman!

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